Konfliktregelung
in den
frühmittelalterlichen Leges
3.
Kapitel - Das Strafensystem
I.
Acht
II.
Lebensstrafen
III.
Leibesstrafen
IV.
Bußen
V.
Dilatura (Wirdira)
3.
Kapitel - Das Strafensystem
Es
soll nun kurz aufgezeigt werden, welche Bußen es im einzelnen
gab und wie sie ausgestaltet waren.
I.
Acht
Die
Acht oder Friedlosigkeit war eine sühnbare Strafe. Für
den Täter bedeutete sie Verwirkung des Lebens und Verlust des
Vermögens, das verwüstet oder gefront wurde[45].
Konnte man den Täter nicht ergreifen, wurde über ihn der
Matbann ausgesprochen und er war damit der allgemeinen Verfolgung
ausgesetzt. Er durfte von jedem straflos getötet werden.
Die
Acht konnte auch in Einsperren in ein Kloster oder Verbannung bestehen.
Kam der Verbannte trotzdem zurück, wurde er der Verfolgung
und Tötung ausgesetzt[46]. Als weitere Arten
kamen auch die Einkerkerung oder die Verknechtung in Betracht. Der
Strafknecht wurde Knecht des Fiskus oder des Verletzten[47].
II.
Lebensstrafen
Bei
Lebensstrafe war jeder Rechtsgenosse dazu verpflichtet, den Verurteilten
zu verfolgen und zu töten[48]. Auch sie entzog
dem Betroffenen sein Vermögen, das regelmäßig dem
Fiskus zufiel[49] oder aber den Erben des Getöteten[50].
Wie der Geächtete, konnte auch der zum Tode verurteilte Täter
sich Frieden und Leben erkaufen. Die Lösungssumme war das einfache
oder mehrfache Wergeld oder eine festgelegte Taxe.
Als
Vollzugsarten nennen die Quellen das Hängen[51],
Steinigen, Enthaupten, Versenken im Sumpf, Ertränken[52],
Rädern, Zerreißen durch Pferde und zu Tode schleifen.
III.
Leibesstrafen
Die
Leibesstrafen gliedern sich in zwei Gruppen: die verstümmelnden
Strafen und die Strafen an Haut und Haar.
Als
verstümmelnde Leibesstrafen werden die Entmannung, das Abhauen
von Hand, Fuß oder Daumen, das Abschneiden der Nase, Ohren,
Zunge oder Oberlippe, das Ausreißen des Auges und die Blendung
erwähnt. Die Strafe konnte mit Zahlung der entsprechenden Gliederbuße
abgelöst werden.
Zu
den Strafen an Haut und Haar zählten das Zerschlagen der Haut,
das Abschneiden des Haupthaares[53], die Prügelstrafe,
die Geiselung[54] und die Brandmarkung. Auch sie
war ablösbar.
IV.
Bußen
Die
Bußen stellten ein Straf- oder Ersatzgeld dar und sollte nicht
nur den Schaden ausgleichen, sondern dem Verletzten auch Genugtuung
verschaffen[55]. Sie brachten den rechtlich geschützten
Wert der Persönlichkeit zum ziffermäßigen Ausdruck[56]
und waren unterteilt in Stände und Nationalitäten[57].
Je höher die Klasse, umso höher die Buße. Berechnet
wurden sie aus Bußzahlen, die entweder Bruchteile des Wergeldes[58]
darstellten oder sie gingen auf eine bestimmte Grundbuße zurück,
die geteilt oder vervielfältigt wurde. In der Regel bekam von
der Bußsumme die öffentliche Gewalt[59]
1/3 und die Verwandten 2/3, wobei letztere sich nochmal in nächste
Erben (1/3) und Eltern (1/3) unterteilten[60].
V.
Dilatura (Wirdira)
Die
dilatura war ein Ersatzgeld um Nachteile auszugleichen, die dem
Verletzten daraus erwuchsen, daß er die Sache entbehren oder
Zeit, Mühe und Kosten aufwenden mußte, um sie wieder
zu erlangen[61].
[45]
. Rüping [Grundriß] 4.
[46] . Aethelstan IV 3.
[47] . Lex Alam. 39; Lex Burg. 36; Lex Baiw. VII
2. 3; Lex Visig. VI 3, 1.
[48] . Brunner I 762 f.
[49] . v. Amira [Todesstrafen] 27.
[50] . So Lex Rib. 79; Cap. de latronibus c. 6,
I 181 (Kapitular Karls des Großen).
[51] . Die häufigste Todesart, die nur bei
Männern üblich war; v. Amira [Todesstrafen] 87; Grimm
II 264
[52] . Hauptsächlich bei Frauen angewandt;
v. Amira [Todesstrafen] 140 ff.; Grimm II 278 f.
[53] . Das Nehmen geschah entweder in milderer
Form, durch Scheren des Kopfes, oder in gewaltsamer Weise, so daß
der Täter die Kopfhaut verlor. Mitunter kam es auch vor, daß
der Kopf anschließend geteert und gefedert wurde; vgl. Grimm
II 322.
[54] . Der Täter wurde entweder auf eine
Bank hingestreckt (Lex Sal. 40, 6) oder an einen Pfahl gebunden
(Cap. legg. add. 818/19, c. 16, I 284.).
[55] . Rüping ZStW 85, 672, 674.
[56] . So hatte ein Germane mehr zu zahlen, als
ein Römer.
[57] . Sellert-Rüping 56; Mitteis-Lieberich
98; Rüping [Grundriß] 5.
[58] . In fränkischer Zeit 200 Schillinge;
vgl. Rüping [Grundriß] 5.
[59] . Als Abgabe, um den verlorenen Frieden zurückzukaufen;
vgl. Rüping ZStW 85, 672, 674.
[60] . Brunner-v. Schwerin II 621 f.
[61] . Brunner-v. Schwerin II 811.
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