Konfliktregelung
in den
frühmittelalterlichen Leges
4.
Kapitel - Die einzelnen Straftatbestände und ihre Sanktionen
- Teil 1
I.
Mord, Totschlag und Körperverletzung
1.
Mord
2.
Totschlag
a.
Unerlaubte Tötungen
b.
Erlaubte Tötung
3.
Körperverletzung
a.
Verstümmelung und Lähmung
b.
Blutwunde
c.
Trockener Schlag
II.
Diebstahl, Raub und Unterschlagung
1.
Diebstahl
2.
Raub
3.
Unterschlagung
[Teil
2] [Teil
3]
4.
Kapitel - Die einzelnen Straftatbestände und ihre Sanktionen
Im
wichtigsten und entscheidensten Kapitel gebe ich nun einen Überblick
über die häufigsten Straftaten, die es im Frühmittelalter
gab und wie sie bestraft wurden.
Im
Vergleich mit dem ungeschriebenen Germanenrecht trat nun mit dem
geschrieben Königsrecht eine Milderung der Straffolgen ein[62].
I.
Mord, Totschlag und Körperverletzung
1.
Mord
Mord
hießt die Tötung, die absichtlich als eine heimliche
geschah. Maßgebend für Erkennbarkeit dieser Absicht war
nach dem älteren Recht das Benehmen des Täters nach der
Tat. Der Totschlag galt nämlich als Mord, wenn der Täter
den Leichnam des Erschlagenen zu verbergen und damit die Spur der
Tat zu beseitigen versuchte, indem er ihn etwa in einen Brunnen
oder ins Wasser warf oder mit Ästen bedeckte[63].
Äußerlich setzte somit der Tatbestand des Mordes in der
Regel aus zwei Handlungen voraus: das Töten und das Verbergen.
Aber es gab auch Fälle des Mordes, in welchem die Handlung
äußerlich betrachtet nur eine war; so, wenn jemand einen
Menschen dadurch tötete, in dem er ihn in einen Brunnen stürzte
oder ins Wasser warf[64]. Eine Außnahme
machte das langobardische Recht, bei dem allein die heimliche Tötung
für Mord ausreichte[65].
Die
Strafe des Mordes war im vorfränkischen Recht die Todesstrafe[66].
In fränkischer Zeit hatte der Mörder meist ein mehrfaches
Wergeld zu büßen[67], aber auch die
Todesstrafe wurde angewandt[68]. Das bayrische
Recht fügte bei dem an einem Freien begangenen Mord noch eine
Zusatzbuße von 40 Solidi hinzu, wenn der Mörder den Leichnam
nicht wieder herausgeben konnte, so daß dieser kein würdiges
Begräbnis erhielt[69]. Für bußlos
galt der aufgedeckte Mord nach dem jüngeren angelsächsischen
Recht[70].
2.
Totschlag
Vom
Mord unterschied sich der Totschlag[71] dadurch,
daß bei ihm das Merkmal der Heimlichkeit fehlte. Totschläger
war, wer durch eine Handlung, für die er einstehen mußte,
den Tod eines Menschen verursachte.
Es
gab erlaubte und unerlaubte Tötungen[72].
Nur die unerlaubten wurden bestraft. Tötungsabsicht oder auch
nur feindselige Absicht brauchte nicht vorzuliegen. Auch die zufällige
Tötung wurde als Totschlag gesühnt. Ebenso wurde Körperverletzung
mit tödlichem Ausgang als Totschlag betrachtet. Für eine
Kausalität genügte es, wenn der Tod binnen einer Zeit
von 14 - 40 Tagen eintrat[73], im langobardischen[74]
und jüngeren friesischen[75] Recht sogar
bis zu einem Jahr nach der Tat.
a.
Unerlaubte Tötungen
Mit
dem unerlaubten Totschlag war der vermessentliche Totschlag gemeint,
also jener, zu dem der Getötete keinen Anlaß gab[76].
Nicht das Benehmen des Getöteten war die Ursache des Totschlags,
sondern nur die feindliche Absicht des Totschlägers[77].
Für
die Volksrechte war der Gedanke der vermessentlichen Tötung
eine Neuerung. Nach dem Volksrecht hatte nicht nur bei dieser, sondern
auch bei homicidium se defendendo die Sippe der toten Hand das Recht
der Fehde und Rache. Kam es zur Sühne, so wurden beide Arten
des Totschlags durch Zahlung des Wergeldes und des Friedensgeldes
gesühnt. Erst die königliche Gesetzgebung der fränkischen
Zeit versuchte den Unterschied strafrechtlich zu bewerten und für
den vermessentlichen Totschlag eine schärfere Ahndung einzuführen,
die meist in der Tötung des Täters bestand[78].
Aber auch die Zahlung eines Wergeldes und die zusätzliche Verbannung
ins Exil waren möglich[79]. Die Capitula
Remedii straften den rückfälligen Totschläger beim
ersten Rückfall mit Blendung und gaben ihn erst beim zweiten
der Todesstrafe preis[80].
Strenger
wurde der Totschlag in der Kirche bestraft, da er nach fränkischem
Recht einen höheren Sonderfrieden verletzte[81].
Als
strafrechtlich qualifizierten Totschlag wird in den Quellen auch
der Totschlag an einem nahen Verwandten bezeichnet. Die Buße
bestand meist in Todesstrafe[82]. Der Totschläger
verlor zudem sein Erbrecht gegen den Getöteten[83].
Über
Tötungen zwischen Ehegatten berichtet nur das langobardische
Recht. Der Mann hatte dort aufgrund seiner ehelichen Strafgewalt
ein Tötungsrecht gegenüber der Frau[84].
Bei einer grundlosen Tötung, mußte er sich aber wie ein
Dritter dafür verantworten. Tötete dagegen eine Frau ihren
Mann, so hatte sie nicht nur ihr Vermögen, sondern auch ihr
Leben an die Verwandten des Mannes verwirkt. Schlug die Tat fehl,
so verfiel sie samt ihrem Gute der Strafgewalt des Mannes[85].
Ebenfalls
ein todeswürdiges Verbrechen war die Tötung des Herren
durch einen Unfreien oder Knecht[86].
b.
Erlaubte Tötung
Den
Gegensatz zur unerlaubten Tötung bildete nicht die Tötung
aus Notwehr, sondern jene, die aus Anlaß eines Streites im
Affekt erfolgte[87]. Dazu gehörte der Fall,
daß der Totschläger, von einem Gegner durch Schläge
oder Wunden gereizt, diesen verfolgte und tötete[88].
Bußlos war auch die Tötung des Feindes in gerechter Fehde
und im gerichtlichen Zweikampf, ferner die Tötung eines Friedlosen,
falls sie gehörig verlautbart wurde[89] und
natürlich auch die in eigener Notwehr[90],
denn durch den grundlosen Angriff hatte der Angreifer den Frieden
verwirkt, so daß er als friedloser Mann getötet werden
durfte[91]. Voraussetzung für eine erlaubte
Tötung aus Notwehr war die Verklarung der Tat oder das Bereden
des toten Mannes[92]. Wer dies versäumte,
wurde seinerseits zum unerlaubten Totschläger[93].
Anders
aber bei einer Tötung aus Notwehr in der Kirche. Sie mußte
mit einer Strafe von 600 Solidi an die Kirche gebüßt
werden[94].
3.
Körperverletzung
Bei
den Körperverletzungen wurde zwischen Wunden und trockenen
Schlägen unterschieden. Der Begriff der Wunde wurde entweder
durch die Art der Verursachung (Wunden mit scharfer Klinge geschlagen)
oder durch die Art der Verletzung (Blut fließt zur Erde) näher
bestimmt[95]. Festgestellt wurden sie durch eine
Wundschau[96], die ein Richter oder Schöffe
durchführte[97].
Zwischen
drei Gruppen von Verletzungen wurden in den Volksrechten unterschieden:
a.
Verstümmelung und Lähmung[98]
Für
einen Verlust eines Auges, einer Hand und eines Fußes, sowie
für Nase, Zunge und Gehör war das halbe Wergeld als Strafe
bestimmt[99]. Das volle Wergeld wurde bei Entmannung[100],
bei Verlust beider Hände, Füße und Augen[101]
fällig. Wenn das Glied am Körper blieb, aber vertrocknete
oder lahm wurde, war nur die halbe Strafe zu zahlen[102].
b.
Blutwunde
Eine
Wunde, die Blutverlust zur Folge hatte, wurde in der Regel mit einer
Buße gesühnt. Für die Unterscheidung der Wunde war
das verletzte Körperteil und die Länge und Tiefe der Wunde
maßgebend[103]. Es wurde unterschieden
zwischen Wunden, die durch den verletzten Körperteil durchgingen[104],
und solche, die, um das Blut zu stillen, gebrannt werden mußten[105],
und Wunden, die bis an den Knochen gingen oder den Knochen verletzten
(beinschrötige)[106] oder solchen, die nicht
geheilt werden konnten[107].
c.
Trockener Schlag
Der
trockene Schlag oder Beulenschlag war eine Verletzung, die zwar
weder Lähmung noch Blutverlust zur Folge hatte, aber sichtbare
Spuren oder eine Anschwellung zurückließ[108].
Für sie war nach den Volksrechten eine Strafe von 1-3 Solidi
zu zahlen[109]; die Leges der Angelsachsen taxierten
ihn dagegen höher[110].
Neben
diesen Verletzungen erwähnen die Quellen auch noch solche,
die zwar keine körperlichen Verletzungen herbeiführten,
aber dennoch bußfähig machten. Dazu gehörten bloße
Schläge[111], der Griff ins Haar[112],
der Wurf zur Erde[113], ins Wasser[114]
oder vom Pferd[115] und auch das Kratzen mit
den Nägeln[116]. Sie gehörten jedoch
meist zu den ehrverletzenden Delikten und waren mit verhältnismäßig
hoher Buße belegt.
II.
Diebstahl, Raub und Unterschlagung
1.
Diebstahl
Die
schimpflichste, eines freien Mannes am wenigsten würdige Missetat
war der Diebstahl[117]. Dieb war, wer eine fremde
bewegliche Sache in der Absicht der Aneignung heimlich aus fremden
Gewahrsam wegnahm[118].
Besondere
Betonung legten die Volksrecht auf das Merkmal des Wegnehmens[119].
Hierdurch unterschied sich der Diebstahl vom dieblichen Behalten.
Nur bewegliche Sachen konnten Gegenstand der Tat sein.
Wesentlich
war auch das Merkmal der Heimlichkeit. Wenn dieses fehlte, wurde
nicht wegen Diebstahl bestraft. So bei demjenigen, der mit »klingender«
Axt fremde Bäume fällte[120] oder wenn
jemand bei einem Brand fremde Sachen offen wegtrug[121].
Durch
das Merkmal der Aneignung hob sich der Diebstahl von der Gebrauchanmaßung[122]
ab. So war z.B. kein Dieb, wer auf fremden Pferd im Wohnort des
Eigentümers herumritt, solange er in der Nähe blieb[123].
Ein
weiteres Merkmal war das Wegnehmen aus fremdem Gewahrsam[124].
So war die Aneignung fremder Tiere[125], das
Fischen, der Holzfrevel in öffentlichen Wäldern[126]
und die Aneignung von Waldbienen und Waldvögeln[127]
kein Diebstahl, sondern eine selbständige Missetat[128].
Gegenstand
eines Diebstahls konnten auch Knechte sein[129].
Unterschieden
wurde zwischen großem und kleinem Diebstahl[130].
Die Grenze wurde durch den Wert der gestohlenen Sache bestimmt[131].
Grundsätzlich als groß wurde der Vieh- und der Sklavendiebstahl
angesehen[132], sowie der Getreidediebstahl[133],
wenn er die Mindesthöhe überschritten hatte. Todeswürdiger
Diebstahl war es, wenn Gold oder Silber von mindestens 10 Solidi
gestohlen wurde[134]. Der kleine Diebstahl war
nicht nur nach oben, sondern auch nach unten hin begrenzt[135],
so wurde der Mundraub nicht bestraft[136].
Bei
der Strafzumessung unterschieden die meisten Rechte zwischen handhaftem[137]
oder großem handhaften und anderem Diebstahl. Der handhafte
Dieb durfte unbedingt oder wenigsten in Fällen des Widerstandes
und des qualifizierten Diebstahls von jedermann getötet werden[138].
Wer ihm das Leben schenkte, wurde ehrlos[139]
oder mußte eine lebenslange Abgabe, den sog. Diebesschilling,
zahlen[140]. Im übrigen gestaltete sich
die Bestrafung bei handhaftem großen Diebstahl nach den einzelnen
Rechten unterschiedlich, aber meist mit dem Tode[141],
wobei der Galgen die gebräuchlichste Todesart war[142].
Nicht handhafter Diebstahl konnte regelmäßig durch eine
Buße gesühnt werden[143].
Wenn
der Wert der gestohlenen Sache streitig war, hatte der Bestohlene
das Recht, ihn zu beschwören[144]. Doch
manche Volksrechte setzten wenigsten für gewisse Gegenstände,
um derartige Streitigkeiten zu vermeiden, feste Diebesbußen
fest[145].
Gewisse
Diebstähle waren strafrechtlich qualifiziert. So nach fränkischem
Recht der Viehdiebstahl aus einer Herde[146],
nach sächsischem Recht der Pferdediebstahl[147]
und nach friesischem Recht der Pferde- und Ochsendiebstahl[148].
Eine weitere Qualifikation war der Diebstahl aus der Kirche[149]
und der Diebstahl mit Einbruch[150]. Er wurde
als ein einheitliches Verbrechen mit erhöhter Buße geahndet[151].
Auch der Diebstahl bei Nacht erschien als Qualifikation[152].
Höhere Strafen trafen auch den rückfälligen Dieb[153].
2.
Raub
Der
Raub unterschied sich vom Diebstahl durch den Mangel an Heimlichkeit.
Raub[154] war das offene Wegnehmen einer Sache
ohne Einwilligung des Besitzers. Zu den Missetaten zählte nur
der widerrechtliche Raub. Es gab daneben auch den rechtmäßigen
Raub, wie das Erbeuten im Krieg und die erlaubte Pfändung.
Drohung
oder Gewalt gehörten nicht zu den Merkmalen des Raubes, und
so konnte Raub auch an Toten begangen werden[155].
Gewaltsamer Raub war eine besondere Art des Raubes.
Auch
auf unbewegliche Sachen wurde der Raub ausgedehnt; man sprach dann
von Landraub[156]. Dieser stand unter niedrigerer
Buße. Eine geraubte bewegliche Sache brauchte auch keine fremde
zu sein. Der Eigentümer, der seine Sache einem anderen wegnahm
(Pfandkehr[157]), verfiel auch in die Raubbuße[158].
Die
Buße für den Raub war nach den meisten Rechten niedriger
als die für den Diebstahl[159], sofern er
nicht qualifiziert war.
Qualifizierter
Raub war solcher, der mit gewaltsamen Angriff oder Überfall
ausgeführt wurde[160], wobei unterschieden
wurde, ob das Opfer beraubt oder unberaubt entkommen konnte[161].
Auch eine mit Vermummung[162] verübte Gewalttat
zählte zu den Qualifikationen[163].
3.
Unterschlagung
Bei
der Unterschlagung fehlte das Merkmal der Verletzung fremden Gewahrsams.
An die Stelle der Wegnahme trat bei der Unterschlagung das Verheimlichen
oder Verleugnen der Sache.
Unterschlagung
konnte begangen werden, wenn der Täter die Sache zwar ohne
Willen des Eigentümers in Besitz genommen hatte, aber eine
strafbare Handlung war nicht erforderlich. Dies war bei einem Fund
der Fall, wenn der Finder die vorgeschriebene Verlautbarung versäumte
oder den Fund verheimlichte[164]. Aber auch,
wenn ein flüchtiger Knecht oder ein Tier dem Nichteigentümer
zulief und er sie dem Herrn gegenüber verleugnete[165]
oder nicht vorschriftsmäßig[166] anbot.
Wenn ein Knecht, der dem Herrn entfloh, mitgenommene Vermögensstücke
einem Dritten anvertraute und dieser sie dem Herrn gegenüber
ableugnete[167] oder wenn jemand eine Sache irrtümlich
als eigene in Besitz nahm und, nachdem er den Irrtum festgestellt
hatte, dem Eigentümer keine Anzeige erstattete[168].
Wenn jemand eine fremde Sache Dieben und Räubern abjagte und
für sich behielt[169].
In
allen diesen Fällen des dieblichen Behaltens war die Buße
mit der des Diebstahls identisch[170].
[62]
. Rüping [Grundriß] 7.
[63] . Die Salfranken büßten ihn mit
600 Solidi (Lex Sal. 41,2).
[64] . Lex Sal. 41, 2; Lex Rib. 15; Lex Fris.
20.
[65] . Roth. 14. 369, 370. Weil Mord heimliche
Tötung war, konnte er nicht zugleich von zwei Menschen gemeinsam
begangen werden. Die Beteiligung eines Dritten schloß das
Merkmal der Heimlichkeit aus.
[66] . v. Amira [Todesstrafen] 52 ff.; His I 263.
[67] . Bei Franken und Friesen des dreifache (Lex
Sal. 41, 2, 4; Lex Rib. 15; Lex Fris. 20, 2), bei Oberdeutschen
(Pactus Alam. II 41; Lex Alam. 48; Lex Baiw. XIX 3) und Sachsen
(Lex Sax. 19.) das neunfache des durch Totschlag verwirkten Wergeldes.
Bei den Langobaden wurde Mord mit der Hochbuße von 900 Solidi
gebüßt, unabhängig vom Stand des Getöteten;
zusätzlich noch an die Verwandten des einfache Wergeld und
an den Herrn das pretium servi (Roth. 14; Schreuer 69).
[68] . Osenbrüggen 220; Wilda 713; His I
196.
[69] . Lex Baiw. XIX 2.
[70] . Cnut II 64.
[71] . Homicidium.
[72] . Lex Fris. 5; His I 257 f.; Hagemann ZRG
91 1, 8.
[73] . Brunner-v. Schwerin II 816; His II 75.
[74] . Roth. 74, 127; Wilda I 689.
[75] . His I 274.
[76] . Lex Burg. 29, 1; Brunner-v. Schwerin II
817.
[77] . Cap. Remedii c. 3.
[78] . So die Burgunder (Lex Burg. 2, 1); während
die Merowinger (Childeb. I decretio Cap. I 16, c. 5; Brunner ZRG
III, 47) durch Ausschließung den Täter dem Rachetot preisgaben
[79] . Cap. legg. add. 818/19, c. 7, I 282 (Kapitular
Ludwigs I.).
[80] . Cap. Remedii c. 3.
[81] . Cap. Worm. pro lege bab. c. 1, II 18: dieses
Wormser Kapitular von 829 verlangte Bann und Wergeld als Sühne,
wenn der Totschläger Urheber des Streites gewesen war; im anderen
Fall nur eine Buße an die Kirche.
[82] . So u.a. im westgotischen (Lex Visig. VI
5, 17. 18), langobardischen (Roth 103), ribuarischen (Lex Rib. 69,
2) und angelsächsischen (Liebermann 717) Recht. Sein Vermögen
fiel nach fränkisch-alamannischem Recht dem Fiskus (Lex Rib.
69, 2; Lex Alam. 40; Cap. 803-813, c. 3, I 143; Cap. Worm. pro lege
hab. v. 829, c.2, II 18) zu, nach westgotischem und langobar- dischem
Recht an die nächsten Verwandten (Lex Visig. VI 5, 17. 18;
Roth.163). Diese Strenge war im alamannischen Volksrecht und den
fränkischen Kapitularien völlig verschwunden: es wurde
nur eine Buße an die Kirche fällig (Lex Alam. 40; Cap.
miss. gener. v. 802, c. 37, I 98; Cap. Worm. pro lege bab. v. 829,
c. 2, II 18). Im friesischen Recht lediglich das Wergeld an die
nächsten Verwandten (Lex Fris. 19, 2).
[83] . Lex Fris. 19, 1; Roth. 163; v. Amira [Erbfolge]
144 ff.
[84] . vgl. dazu v. Amira [Todesstrafen] 15 ff.
[85] . Roth. 200-203.
[86] . Roth. 13; Lex Sax. 24; Cap. de part. Sax.
13; Leges Henrici primi 75,1; Liebermann 507.
[87] . Cap. Remedii c. 3; Beyerle 241, 496 f.;
Ruth 248 ff.
[88] . Lex Burg. 2, 2.
[89] . Brunner-v. Schwerin II 819.
[90] . Roth. 280; auch hier wird von Tötung
se defendendo gesprochen.
[91] . Lex Burg. 29, 2; Roth. 280.
[92] . Lex Henrici 83, 6.
[93] . Beyerle 491; Scherer 124.
[94] . Cap. legg. add. 818/19, c. 1, I 281.
[95] . Lex Sal. 17, 5; Lex Rib. 2; Lex Alam. 57,
2.
[96] . Schmidt 55.
[97] . His II 96.
[98] . oder Lähmde.
[99] . Lex Fris. 22, 27; Lex Alam. 57, 14. 39;
Lex Baiw. IV 9.
[100] . Lex Sal. 29, 9; Lex Rib. 6; Lex Sax.
11; Lex Fris. 22, 57. 58.
[101] . Lex Sax. 11; Lex Thur. 12.
[102] . Lex Rib. 5, 6; Lex Fris. Add. IIIa 46.
[103] . Für die Unterscheidung der Wunden
war der verletzte Körperteil und die Länge und Tiefe der
Wunde maßgebend; vgl. Wilda 734 ff.; His I 301.
[104] . His I 308, 314.
[105] . Lex Alam. 75, 34.
[106] . Schmidt 32.
[107] . Lex Fris. Add. IIIa 45. Sie kosteten
nach Lex Sal. 17, 4, Cod. 5 ff. 62½ Solidi. Schreuer 80.
[108] . auch Fußtritte oder Schläge
mit Stöcken zählten dazu; His [Friesen] 323; ders. I 185.
[109] . Schreuer 80.
[110] . Lex Sax. 2: 60 Solidi bei Adligen; Lex
Thur. 4: 10 Solidi bei Freien; Schreuer 937.
[111] . Lediglich die Lex Saxonum unterschied
zwischen trockenem und wirkungslosem Schlag (Strafe: 60 bzw. 30
Solidi bei Adligen); in der Regel war die Strafe dieselbe, wie beim
Beulenschlag.
[112] . Roth. 383; Lex Sax. 7; Lex Fris. 22,
65; Lex Burg. 5, 4.
[113] . Roth. 382.
[114] . Lex Fris. 22, 83; Lex Baiw. IV 17; Lex
Sal. 41, 9.
[115] . Roth. 30; Pactus Alam. 3, 22; Lex Alam.
59; Lex Baiw. IV 18; Lex Fris. Add. 4.
[116] . Lex Fris. Add. IIIa 44.
[117] . Diebstahl wurde als furtum/latrocinium
bezeichnet, fur/latrones meint den Dieb und furare sein Handeln;
vgl. Brunner-v. Schwerin II 826.
[118] . Hagemann ZRG 91, 1, 49; Lieberwirth in
HRG I 730 f.
[119] . Lex Burg. 4, 1; Lex Sal. 11, 5. 6; Lex
Rib. 72, 8; Lex Baiw. XXI 5; Lex Fris. 2, 11; 3, 3; Lex Sax. 32;
Lex Thur. 35, 42.
[120] . Denn die Axt ist ein Melder und kein
Dieb; Grimm I 64, II 34; Köstlin 164.
[121] . Lex Baiw. XV 3.
[122] . furtum usus.
[123] . Roth. 340; Lex Burg. 4, 7; nach der Lex
Visig. VIII 4, 1 galt es als Diebstahl, wenn der Eigentümer
die Pferde nicht innerhalb von drei Tagen wiederfinden konnte.
[124] . Lex Fris. 2, 11.
[125] . Lex Rib. 42, 1.
[126] . Lex Rib. 76.
[127] . Roth. 319, 320, 321.
[128] . His II 175; Hagemann ZRG 91, 52; Osenbrüggen
[Langobarden] 126 ff.; Rukser 3.
[129] . Lex Sal. 10, 1; Lex Rib. 72, 1; Lex Alam.
7; Lex Baiw. IX 3; Lex Thur. 33; Lex Fris. 2, 11.
[130] . Grimm II, 196; Brunner-v. Schwerin II
828; Köstlin 175.
[131] . Großer Diebstahl begann im sächsischen
Recht ab 3 Schillingen (Lex Sax. 35. 36.), bei den Angelsachsen
ab 3 Soli- di (Aethelstan VI 1, 1; VI 12, 3 (Satzung Aethelstans);
Leges Henrici 59, 20 spricht von 8 Pfennigen), bei den Langobaden
ab 10 Solidi (Roth. 253, 254), im fränkische Volksrecht ab
1 Solidi (Lex Sal. 11, 1. Auf kleinen Diebstahl stand eine Buße
von 15 Solidi, der bei Knechten der Strafe an Haut und Haar entsprach.
Auf großen Diebstahl die Buße von 35 Solidi, bei Knechten
eine verstümmelnde Leibesstrafe (Lex Sal. 40, 4)), während
das friesische Recht keine feste Obergrenze kannte (Lex Fris. 3,
6; 12, 1. 2).
[132] . Die Lex Burg. 4, 1. 3; 70, 1. 3 rechnete
zum großen Diebstahl das Stehlen von Pferden und Rind- vieh,
wogegen Schwein, Schaf, Bienenstock und Ziege zum kleinen Diebstahl
zählten. Die Wertgrenze war 1 Solidus, welches dem Wert einer
Kuh entsprach.
Die Lex Sal. 38, 11; 3, 3 setzte die Buße für Pferde-
oder Ochsendiebstahl auf 35 Solidi fest.
[133] . Wilda [Strafrecht] 871. 875.
[134] . Lex Baiw. IX 9.
[135] . Nach salischem Recht begann er ab 2 Denaren;
Brunner-v. Schwerin II 830.
[136] . Roth. 296: wenn sich jemand in einem
fremden Weinstock nicht mehr als drei Trauben nahm.
[137] . Handhafter Diebstahl lag vor, wenn der
Täter auf frischer Tat oder auf der Flucht ergriffen wurde
("Der Täter trägt noch die Spuren der Tat an der
Hand"); vgl. Brunner-v. Schwerin II 626.
[138] . Lex Thur. 36; Lex Visig. VII 2, 16; Lex
Burg. 27, 6; Lex Baiw. IX 6; Lex Sax. 32; Lex Fris. 5, 1
[139] . His I 580.
[140] . His [Diebesschilling] 1, 7.
[141] . Im langobardischen Recht war der Dieb
bei großem Diebstahl dem Tode verfallen. Er konnte aber mit
80 Solidi (bei Knechten 40 Solidi) sein Leben auslösen, indem
er damit das Recht erkaufte, den Diebstahl durch neunfachen Ersatz
des Wertes zu büßen (Roth. 253).
Nach älterem Recht der Angelsachsen war großer handhafter
Diebstahl eine lösbare Todesstrafe oder hatte Verknechtung
zur Folge (Wihträd 26; vgl. Schmid [Gesetze] 556; Liebermann
II 350). Später wurde die Tat bußlos und stets mit dem
Tode bestraft (Aethelstan II 1; Cnut II 26. 64. 82).
In Bayern wurde der große handhafte Dieb mit dem Tode bestraft,
nachdem der Bestohlene einfachen Ersatz aus dessen Vermögen
erhalten hatte (Lex Baiw. IX 9).
Sehr unterschiedlich straften auch die fränkischen Volksrechte:
Im ribuarischen Recht verfiel der handhafte Dieb dem Galgentod (Lex
Rib. 79). Der nicht handhafte Dieb mußte eine Buße zahlen
(Lex Rib. 33, 2; 42, 2; 82,1).
Die Salfranken erwähnen zwar in Diebstahlsfällen nur Geldbußen
(Lex Sal. 40, 5) (nur Unfreie verfielen dem Tode), jedoch geht aus
den Quellen hervor, daß bereits im 6. Jahrhundert der Dieb
gehängt wurde.
Karl der Große schrieb 779 vor, daß der Dieb für
den ersten Diebstahl mit dem Verlust eines Auges bestraft werden
solle, bei dem zweiten mit dem Verlust der Nase und erst beim Dritten
das Leben verlieren sollte (Cap. Haristall. c. 23, I 51).
[142] . His II 189.
[143] . Den zweifachen Ersatz verlangten die
Angelsachsen(Aethelred I 1, 5. Cnut II 30) und Friesen (Lex Fris.
3, 2. 3. 4), den dreifachen die Burgunder (Lex Burg. 4, 3) und die
ribuarischen Franken (Lex Rib. 42, 4. 5. 6) und den neunfachen die
Westgoten (Lex Visig. VII 2, 13f, 23), Langobarden (Roth. 253),
Alamannen (Lex Alam. 61. 62. 65) und Bayern (Lex Baiw. IX 1. 7).
Neunfachen Ersatz und ein Friedensgeld verlangten die Sachsen (Lex
Sax. 36).
[144] . Beyerle [Entwicklungsproblem] I 426.
[145] . Lex Alam. 78, Lex Baiw. 78, Lex Fris.
4, 6 für Hundediebstahl; Lex Rib. 42, 2. 3 für einen gezähmten
Hirsch.
[146] . Lex Sal. 2, 14 (25 Schweine); 3, 6 (12
Rinder); 38, 3. 4 (Hengst mit 12 oder 7 Stuten). Die Buße
betrug 62½ Solidi. Lex Rib. 18 setzte auf Herdendiebstahl
die Buße von 600 Solidi.
[147] . Lex Sax. 29; er war schlichtweg
todeswürdig.
[148] . Lex Fris. Add. 1, 3 setzte lösbare
Todesstrafe.
[149] . Er wurde mit dem Tod durch Rad oder Galgen
bestraft; vgl. Köstlin 194 f.
[150] . Lex Sal. 11, 6; 27, 21. 22; Lex Chamav.
19. 20 ff.; Lex Sax. 21; Lex Fris. Add. 1, 3.
[151] . Lex Sal. 11, 3 ff.; 21, 3. 4.; 27, 21.
22; 8, 1. Er wurde bereits bei einer Summe von 5 Denaren zu einem
großen Diebstahl. Bei den Chamaven wurde er an Hand, Fuß
oder Auge oder deren Lösungstaxe von 12, 8, 4, oder 2 Solidi
gebüßt, je nachdem ob in das Haus eines Homo Francus,
Freien, Liten oder Knechtes eingebrochen wurde; Lex Chamav. 19.
20. Zusätzlich mußte noch ein Friedensgeld gezahlt werden.
Bei den Burgundern (Lex Burg. 29), Friesen (Lex Fris. Add. 1, 3)
und Sachsen (Lex Sax. 33) war es ein todeswürdiges Verbrechen.
[152] . Ein bei Nacht gestohlener Ochse galt
als schwerer Diebstahl und wurde bei den Sachsen mit dem Tode bestraft;
Lex Sax. 32. 34.
[153] . Zwischen ersten und zweiten Rückfall
unterschieden das langobardische Recht und die fränkischen
Kapitularien. Nach dem ersten Rückfall wurde der Dieb an Haut
und Haar bestraft und gebrandmarkt; nach dem zweiten ins Ausland
verkauft (Liu. 79). Das fränkische Recht verhängte beim
zweiten Rückfall die Todesstrafe (Cap. Haristall. c. 23, I
51).
[154] . raubare, expoliare.
[155] . Dieser war jedoch eine selbständige
Straftat: siehe Walraub!
[156] . Lex Rib. 59, 8; 60, 3; Lex Baiw. XVII
1; Liu. 90; Lex Burg. 79, 3. Es war die widerrechtliche Okkupation
und Bearbeitung eines fremden Grundstückes; vgl. v. Amira [Vollstreckungsrecht]
235 f.
[157] . Lex Sal. 9, 5 nennt eine Buße von
15 Solidi.
[158] . Lex Sal. 37, 2; 61, 1. 3.
[159] . Im salischen Recht betrug die Strafe
30 Solidi, wenn die Sache mehr als einen Schilling wert war (Lex
Sal. 35, 2), darunter 15 Solidi (Lex Sal. 35, 3).
Den zwei- oder dreifachen Ersatz verlangte das alamanische Recht
(Lex Alam. 5, 2; 3), nicht wie beim Diebstahl den neunfachen. Bei
Mittel- und Westfriesen betrug die Strafe wie beim Diebstahl das
Zweifache; ledig- lich das Friedensgeld betrug nur 12 Solidi (beim
Diebstahl waren es 53½) (Lex Fris. 8. Add. 9).
Bei den Angelsachsen brauchte nur einfacher Ersatz geleistet zu
werden (Ine 10), während das ostfriesische Recht neben der
einfachen Buße von 24 Solidi an den Verletzten noch das Friedensgeld
an den König kannte (Lex Fris. 9, 14 ff.). Wurde ein Adliger
beraubt, betrug die Buße 48, bei einem Liten 12 Solidi.
Nach burgundischem Recht wurde der einfache Raub mit dem Neungelde
(Lex Burg. 9), bei den Langobarden mit dem neunfachen Ersatz gebüßt
(Arg. Liu. 35. 40. 151).
[160] . His II 339 f.
[161] . Konnte das Opfer unberaubt entkommen,
so betrug die Buße bei den Salfranken 62½ Solidi (Lex
Sal. 17, 9); gelang der Raub, betrug sie noch zusätzlich 30
Solidi (Lex Sal. 17, 9).
[162] . walapaus; vgl. Bruckner 213; Grimm II
194.
[163] . Roth. 31; die Buße betrug 80 Solidi
und zusätzlich noch das Neungeld als Raubbuße.
[164] . Lex Rib. 75; Lex Baiw. II 12.
[165] . Lex Fris. Add. 7.
[166] . Lex Rib. 75.
[167] . Roth. 262.
[168] . Roth. 342.
[169] . Lex Rib. 75.
[170] . Lex Baiw. XVI 1. 4; Lex Visig. VII 6,
3. 4; das friesische Recht forderte nur einfachen, nicht zweifachen
Ersatz; Lex Fris. Add. 7.
[Teil
2] [Teil
3]
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Inhalt:
Einleitung
Konfliktregelung,
Geltung und Begriff der Volksrechte
Die wichtigsten Quellen des
geschriebenen Rechts
Das Strafsystem
-> Die einzelnen Straftatbestände und ihre Sanktionen [Teil
2] [Teil
3]
Literatur
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