Konfliktregelung
in den
frühmittelalterlichen Leges
4.
Kapitel - Die einzelnen Straftatbestände und ihre Sanktionen
- Teil 2
III.
Heimsuchung
IV.
Brandstiftung
V.
Außerehelicher Geschlechtsverkehr, Ehebruch und Inzest
1.
Außerehelicher Geschlechtsverkehr (Unzucht)
2.
Ehebruch
3.
Inzest (Blutschande)
VI.
Vergewaltigung, Frauenraub und Entführung
1.
Vergewaltigung (Notzucht)
2.
Frauenraub
3.
Entführung
[Teil
1] [Teil
3]
III.
Heimsuchung
Unter
der Missetat der Heimsuchung verstand man den strafrechtlich qualifizierten
Bruch des Hausfriedens, einen Überfall auf Haus und Hof mit
bewaffnetem Gefolge[171]. Nach langobardischem
Recht waren dafür mindestens 5 Leute notwendig[172];
während man in Bayern zwischen 42 Schilden oder weniger unterschied[173].
Frauen
hatten in einem solchen Heer nichts zu suchen; sie konnten keine
Heimsuchung begehen[174].
Erfüllt
war der Tatbestand der Heimsuchung auch bereits mit der Umzingelung
des Hauses[175], wobei die feindselige Absicht
zum Ausdruck kommen mußte[176]. Aber auch
die Beschädigung des Hauses und das Aufbrechen von Türen
und Wänden standen im Mittelpunkt der Tat[177].
Dagegen gehörten Totschlag und Verwundung nicht zum typischen
Tatbestand[178].
Die
Strafe für die Heimsuchung hing sehr stark vom einzelnen Recht
ab. Man unterschied bei der einfacher Heimsuchung zwischen Anführer
und Mitläufer. Teilweise wurde sie mit dem Tode bestraft[179],
aber häufiger waren Geldstrafen[180].
Neben
der strafbaren Heimsuchung hatte es ursprünglich auch eine
erlaubte gegeben, nämlich die in gerechter Fehde. Im angelsächsischem
Recht ist ein Fall berichtet, daß jemand seinen Feind in dessen
Behausung belagerte, nachdem er ihn vergeblich um Recht gebeten
hatte. Als die Belagerungsfrist von sieben Nächten vorbei war
und sich der Belagerte nicht ergeben hatte, wurde es ihm erlaubt,
Gewalt anzuwenden[181]. Sie galt jedoch später
als ein verbotener Akt strafbarer oder rächender Volksjustiz[182].
IV.
Brandstiftung
Brandstiftung[183]
war die absichtliche Branderregung; daneben stand die Feuerverwahrlosung,
als absichtslose Missetat[184]. Brandstiftung
mußte mit Willen (mit feindlicher Hand) geschehen[185].
Als
Objekte, an denen Brandstiftung begangen werden konnte, werden Gebäude,
Kirchen[186], Ställe, Scheunen, Speicher
und Mühlen genannt[187]. Nicht dazu gehörte
das Anzünden eines Zaunes oder eines Holzstapels[188].
Einige
Rechte sahen es als ein wesentliches Tatbestandsmerkmal an, daß
die Brandstiftung nachts geschehe[189].
Bei
der Strafverfolgung traf es den handhaften Brandstifter besonders
hart. Er durfte als friedloser Mann sofort getötet werden;
die Tötung eines handhaften Brandstifters gehörte zu den
bußlosen Tötungen[190]. Aber auch
sonst wurde das Delikt mit dem Tode oder sehr hohen Geldstrafen
gebüßt[191].
Neben
der unerlaubten Brandstiftung kannten die älteren Rechte auch
die erlaubte Brandstiftung. Sie wurde an dem Haus eines Friedlosen
vollzogen und war im sächsischen Recht ein selbständiges
Zwangsmittel, welches dann in das fränkische Recht übernommen
wurde.
Vereinzelt
wird auch die absichtslose Branderregung erwähnt. Sie war ein
typischer Fall der Fahrlässigkeit. Wer Feuer im Freien entfachte,
war verpflichtet, es wieder zu löschen. Versäumte er diese
Obhutspflicht, so haftete er unter bestimmten Voraussetzungen mit
dem einfachen Ersatz des Schadens[192].
V.
Außerehelicher Geschlechtsverkehr, Ehebruch und Inzest
1.
Außerehelicher Geschlechtsverkehr (Unzucht)
Als
entehrt galt eine Frau, die freiwillig mit einem Mann geschlafen
hatte[193]. Sie fiel nach älterem Recht
unter das Privatstrafrecht der Sippe. Diese konnten sie entweder
töten oder in die Knechtschaft verkaufen[194].
Das galt im besonderen, wenn eine Freie einen Knecht heiratete[195].
Aber
in den Rechten finden sich auch Bestrafungen, die teilweise subsidär
galten, falls es die Sippe unterließ, die Frau zu bestrafen[196].
Hinsichtlich
des Mannes wurde bei den Unzuchtsstrafen zwischen Freien und Unfreien
unterschieden.
Der
Freie, der mit einer Freien schlief, war der Fehde und Rache ihrer
Verwandten ausgesetzt. Wurde er auf frischer Tat ertappt, hatten
die Verwandten das Recht, ihn zu töten[197].
Andere Volksrechte kannten die einklagbare Sühne, die in einer
gerichtlich festgelegten Geldbuße bestand[198],
wobei die Buße sich verringerte, wenn er sie heiratete[199].
Schlief
ein Freier mit einer Unfreien, so hatte er ihrem Herrn eine Buße
zu zahlen[200].
Ein
Knecht, der mit einer Freien schlief, hatte sein Leben verwirkt[201],
während der Geschlechtsverkehr mit einer Magd nur Leibesstrafe
zur Folge hatte, die abgekauft werden konnte[202].
Ein
Verbrechen gegen ihre Sippe war es, wenn eine Braut mit einem anderen
geschlafen hatte. Dieser und nicht dem Bräutigam gebührte
die Ahndung[203]. Der Mann wurde entweder getötet[204]
oder verknechtet[205].
2.
Ehebruch
Zum
Ehebruch gehörte nicht nur der Beischlaf zwischen einem verheirateten
oder unverheirateten Mann und der Ehefrau eines anderen, sondern
auch die an einer solchen begangenen Verbrechen der Notzucht und
des Frauenraubes. Ein mit der Frau, der verheirateten Tochter oder
Mutter des Herrn verübter Ehebruch auf seiten des Mannes fiel
dagegen unter den Begriff des Treubruchs.
Eines
strafbaren Ehebruchs konnte sich nur die Frau gegen den Ehemann,
aber nicht umgekehrt, der Ehemann gegen die Frau schuldigmachen,
da daß germanische Recht die Polygamie nicht ausschloß.
Noch in der fränkischen Zeit war es dem Ehemann nicht verboten,
sich eine Geliebte[206] zu halten. Erst unter
dem Einfluß des kirchlichen Rechts, versuchte auch das Königsrecht
gegen ehebrecherische Verhältnisse des Ehemannes zu sanktionieren[207].
War die Frau jedoch verheiratet, und wurde der Ehebrecher auf frischer
Tat von dem Ehemann erwischt, durfte dieser ihn straflos töten[208].
Abgesehen von der frischen Tat, wurde der Ehebrecher der Fehde und
Rache ausgesetzt[209].
Die
Bestrafung einer fremdgegangenen Ehefrau war die Sache des Mannes.
Er durfte sie verstoßen oder töten[210],
wenn er sie nicht schon auf handhafter Tat erschlagen hatte[211].
3.
Inzest (Blutschande[212])
Geschwister-
und Verwandtenehe waren bereits bei den Germanen verboten[213];
wahrscheinlich wurde sie mit unsühnbarer Friedlosigkeit bestraft[214].
Dies setzte sich unter dem Einfluß der Kirchen auch im frühen
Mittelalter fort[215].
VI.
Vergewaltigung, Frauenraub und Entführung
1.
Vergewaltigung (Notzucht)
Die
Vergewaltigung (Notzucht) ist nur in einigen Rechten besonders erwähnt,
während sie in den anderen mit dem Frauenraub zusammenfällt.
Die Buße bestand meist, wenn die Sippe der Frau nicht zur
Fehde schritt, in Bußgeld[216] und Ehe,
wogegen bei handhafter Tat des Tötungsrecht gegeben war und
die Notzüchtigung von Ehefrauen unter den Begriff Ehebruch
fiel. Als Qualifikation erschien die Vergewaltigung, die mittels
eines Überfalles auf den Brautzug, verübt wurde[217].
Vergewaltigten Halbfreie oder Unfreie eine Freie, so wurden sie
getötet[218]. Vergewaltigten sie dagegen
eine Halb- oder Unfreie, wurden sie entmannt oder an Haupt und Haar
bestraft, vorausgesetzt der Herr löste die Strafe nicht ab[219].
Wobei diese Geldbußen nach dem Wert der Frau abgestuft waren
und an ihrer Herrn bezahlt werden mußten[220].
2.
Frauenraub
Der
Frauenraub[221] lag vor, wenn ein Mann eine Freie
oder Halbfreie heiratete, ohne vorher ihre Verwandten oder ihren
Herrn um Erlaubnis zu fragen.
Die
Volksrechte setzten eine Buße[222] fest,
die meist in derselben Höhe lag wie der Brautpreis[223].
Andere Volksrechte kannten auch noch härtere Strafen[224].
In
der Gesetzgebung der Merowinger waren noch sehr stark römische
Einflüsse zu bemerken. Sie bestraften den Frauenraub mit Tod
und Verlust des Vermögens[225]. Das karolingische
Königsrecht stellte Frauenraub unter die Bannfälle.
Schwerer
wurde der Raub einer puella bestraft. Nach Chlotars II. Edikt verloren
beide ihr Leben und ihr Vermögen an die nächsten Erben[226],
während ein unversehrtes Zurückkehren der Frau priviligiert
wurde[227].
Ein
Unterschied konnte auch darin bestehen, ob der Mann die Frau mit
Gewalt nahm oder ob sie freiwillig mitkam[228].
Als
Qualifikation stellte sich auch der Raub einer Braut da. Einige
Rechte verlangten dafür eine höhere Geldbuße als
beim Frauenraub[229].
3.
Entführung
Entführung
lag vor, wenn ein Freier eine Frau, die ohne den Willen ihrer Verwandten
zu ihm kam, aufnahm und heiratete. Sie unterschied sich vom Frauenraub
dadurch, daß hier kein Wegnehmen der Frau verlangt wurde.
Die Strafe bestand bei rechtswidrigem Behalten der Frau im dreifachen
Muntschatz[230] oder in einer Buße von
40 Solidi[231].
.
[171] . Brunner-v. Schwerin II 841; Hagemann
ZRG 91, 1, 14; Kroeschell in HRG I, 2023.
[172] . Roth. 19; vgl. Wilda [Germanen] 616 f.
[173] . Lex Baiw. 4, 23. 24.
[174] . Roth. 19.
[175] . So nach bayrischem (Lex Baiw. IV 23),
friesischem (Lex Fris. 17, 4) und anglowarnischem (Lex Thur. 54.
55) Recht.
[176] . Bei den Bayern dadurch, daß der
Führer der Bande ein Pfeil oder Sperr oder Geschoß in
den umzingelten Hofschoß (Lex Baiw. IV 23), während das
langobardische Recht schon den Sperrwurf oder Pfeilschuß an
sich, ohne die Heimsuchung, unter Strafestellte (Roth. 34).
Bei Angelsachsen genügte ein Pfeilschuß oder Steinwurf
oder demonstrativer Schlag gegen das Haus (Leges Henrici 80).
Pfeilschuß oder Würfe waren symbolische Handlungen der
Kriegserklärung (So Weinhold 560 ff).
[177] . His [Friesen] 352 f.
[178] . His [Friesen] 355 f.
[179] . Bei den Langobarden verlor der Anführer
sein Leben (Roth. 19. 379), bei den Angelsachsen sein Vermögen,
während sein Leben vom Ermessen des Königs abhing (Edmund
II 6; Aethelred IV 4).
[180] . Die Lex Ribuaria unterschied bei Heimsuchung
mit Totschlag zwischem dem Anführer, dem Totschläger,
den ersten drei Helfern und den übrigen Beteiligten. Der Anführer
zahlte das dreifache, der Totschläger das einfache Wergeld,
die ersten drei Helfer je 90 Solidi und die übrigen Beteiligten
jeweils 15 Solidi (Lex Rib. 64). Bei Friesen mußte der Anführer
das Wergeld und jeder Genosse 15 Solidi zahlen, während in
den karolingischen Kapitularien jeder die königliche Bannbuße
zu zahlen hatte (Brunner-v. Schwerin II 844).
Bei den Bayern hatte der Anführer bei Heimsuchung ohne Tötung
jeweils 40 Solidi an den Verletzten und den Herzog zu zahlen (Lex
Baiw. 4, 23. 24.).
[181] . Alfred 42; Aethelred IV 4.
[182] . Bühler 20.
[183] . lat. incendium.
[184] . His II 348.
[185] . Lex Sax. 38; Lex Fris. 5, 1; Roth. 146;
Lex Baiw. X 1; Lex Alam. 76; Lex Visig. VIII 2, 1.
[186] . Bei Kirchen unterschieden die Salfranken
nicht nach dem Vorsatz. Ob der Brand absichtlich oder unabsichtlich
verursacht wurde, die Strafe wurde mit 200 Solidi gebüßt
(Lex Sal. 55, 7).
[187] . Lex Sal. 16; Lex Alam. 76, 2, 77.
[188] . Die Salfranken bestraften das Anzünden
eines Zaunes gleich der Sachbeschädigung (Lex Sal. 16, 5; 27,
15). Bei den Angelsachsen wurde das Anzünden eines Holzstapels
nach Waldfrevel bestraft (Alfred 12), bei den Bayern mit einer geringen
Buße (Lex Baiw. X 2.).
[189] . Lex Sal. 16, 1; Lex Rib. 17, 1; Lex Alam.
76; Lex Thur. 41.
[190] . Lex Fris. 5, 1.
[191] . Nach nordischem Recht war der Brandstifter
friedlos und unheilig (Gul. 98). Auch bei den Angelsachsen (Cnut
II 64) und Sachsen (Lex Sax. 38) stand darauf die Todesstrafe. Ebenso
bei den Westgoten, bei denen der Täter erst hundert Hiebe bekam
und dann verbrannt wurde (Lex Visig. VIII 2, 1) .
Bei den Salfranken bestand die Buße in 62½ Solidi,
außerdem war eine einfache Entschädigung und die Dilatura
zu zahlen. Wenn Menschen darin schliefen, kam noch die Buße
der Lebensgefährdung, wenn welche den Tod fanden, noch das
Werfeld hinzu (Lex Sal. 16, 1 ff.). Bei den ripuarischen Franken
waren für den Tod eines Menschen entweder 600 oder 36 Solidi
zu büßen, abhängig davon, ob der Täter ein
Freier oder Unfreier war, neben Schadensersatz und Dilatura (Lex
Rib. 17). Bei den Alamannen wurde zwischen dem Brand des Wohnhauses
eines Freien (40 Solidi) oder eines Knechtes (12 Solidi) und zwischen
Scheunen (6 Solidi) oder Ställe (3 Solidi) unterschieden; hinzu
kam noch der einfache Erzatz des Schadens (Lex Alam. 76. 77). Wesentlich
gleiche Bußen kannten auch die Bayern (Lex Baiw. X 1 ff.).
Den dreifache Ersatz des Schadens mußte der Brandstifter im
langobardischen (Roth. 146. 149) und anglowarischen (Lex Thur. 41)
Recht büßen.
[192] . So bei den Burgundern (Lex Burg. 41),
wenn das Feuer nicht vom Wind weggetrieben wurde, und auch bei den
Langobarden (Roth. 148) und Sachsen (Lex Sax. 55), vorausgesetzt,
es richtete innerhalb von 24 Stunden einen Schaden an. Einfachen
Ersatz verlangten auch die Westgoten (Lex Visig. VIII 2, 3), wobei
das Anzünden eines Waldes oder einzelner Bäume mit Prügelstrafe
bedroht wurde ( Lex Visig. VIII 2, 2).
[193] . Sie hatte sich preisgegeben.
[194] . v. Amira [Todesstrafen] 8 ff.
[195] . Lex Burg. 35, 2. 3; Roth. 221. 193; wobei
diese Verbindung nicht als Ehe anerkannt wurde.
[196] . So sollte die Frau bei den Langobarden
dem Schuldspruch des Schultheißes unterstellt werden (Roth.
189), oder, wenn sie als Freie mit einem Knecht schlief, bei Langobarden
und Burgundern an den Fiskus verknechtet werden (Lex Burg. 35, 3;
Roth. 221). Bei den Westgoten stand als Buße darauf das Auspeitschen
(Lex Visig. III 2, 2. 3), während bei den Friesen ein Wergeld
an den König gezahlt werden mußte (Lex Fris. 9, 1. 2)
und bei den Saliern die Friedlosigkeit (Lex Sal. 70). Dagegen wird
nach den Capitula Remedii der erste Unzuchtsfall der Frau mit 12
Solidi oder mit Prügelstrafe, der zweite mit Prügelstrafe
oder Einkerkerung, der dritte mit Prügelstrafe, Einkerkerung
und 12 Solidi bestraft (Cap. Remedii 7. 8, LL. V 443).
[197] . Lex Fris. 5, 1; Lex Visig. III 4, 5;
Lex Rib. 77: Vater hatte Befugnis zum Töten, wenn sich der
Schuldige der Festnahme widersetzte; Alfred 42, 7: Vater, Bruder
und Sohn hatten ein Tötungsrecht.
[198] . Die bei den Bayern 12 (Lex Baiw. VIII
8), bei den Burgundern 15 (Lex Burg. 44), bei den Saliern 45 (Lex
Sal. 25, 2), bei den Ribuarien 50 (Lex Rib. 35, 2), bei den Langobarden
100 Solidi (Roth. 189) betrug.
[199] . Roth. 189.
[200] . Sie betrug nach fränkischem Recht
15 (Lex Sal. 25, 3; Lex Rib. 58, 17), nach langobardischem 12 (Roth.
194) und nach bayrischem 4 Solidi (Lex Baiw. VIII 13). Nach friesischem
Recht verringerte sich die Buße von 4 auf 3 Solidi, wenn die
Magd vorher schon einmal, auf 2 Solidi, wenn sie zweimal, auf 1
Solidus, wenn sie dreimal, auf 1/3 Solidus, wenn sie viermal oder
öfter mit einem anderen geschlafen hatte (Lex Fris. 9, 3).
[201] . So das salische Recht (Lex Sal. 25, 2;
40, 5). Bei den Bayern wurde er der Sippe der Frau ausgeliefert
(Lex Baiw. VIII 9). Bei den Langobarden nahm ihn der Fiskus in Beschlag,
wenn er nicht von seinem eigenen Herrn oder dem Vater der Frau getötet
wurde (Roth. 221). Die Westgoten verhängten Prügelstrafe
und Feuertod (Lex Visig. III 2, 2) und bei den Saliern wurde er
gerädert (Lex Sal. 70).
[202] . Entmannung oder 3 Solidi bei den Ribuariern
(Lex Rib. 58, 17), hundertzwanzig Hiebe oder 3 Solidi bei den Salfranken,
dagegen Entmannung oder 6 Solidi, wenn die Magd starb (Lex Sal.
25, 8).
[203] . Bei Langobarden, Sachsen und Franken durfte
sie wie die unverlobte Jungfrau getötet werden (Roth. 179).
Bei den Westgoten wurde sie dem Bräutigam verknechtet (Lex
Visig. III 4, 2) und nach dem angelsächsischen Recht hatte
sie eine Buße an den Verlobungsbürgen zu zahlen (Alfred
18).
[204] . Nach burgundischem Recht: Wilda [Germanen]
841 f.
[205] . Nach westgotischem Recht: Lex Visig.
III 14.
[206] . Kebse.
[207] . Die Langobarden (Lui. 30.) empfahlen
der betrogenen Ehefrau, sich an den König oder die Justiz zu
wenden. Der Ehemann mußte 50 Schillinge Buße zahlen,
zur Hälfte an den König, zur Hälfte an die Verwandten
der Ehefrau (Grim. 6). Karl der Große empfahl, daß der
Ehemann sich von seiner Geliebten trennen sollte (Cap. cum Italiae
episcopie deliberata 790-800, c. 5, I 202). Bei den Angelsachsen
war es übler Ehebruch, wenn die Geliebte ledig, schlimmer,
wenn sie verheiratet war und ein Ehemann, der mit seiner Magd schlief,
sollte diese verlieren (Cnut II 50). Die Westgoten sprachen der
betrogenen Ehefrau das Recht zu, die Geliebte des Mannes zu verknechten
(Lex Visig. III 4, 9) und das Capitula Remedii c. 7 bestrafte den
verheirateten Mann schärfer als einen ledigen, wenn er mit
einer Freien schlief.
[208] . Roth. 212; Lex Baiw. VIII 1; Lex Fris.
5, 1.
Bei den Westgoten und Burgundern war die Tötung des Ehebrechers
aber nur dann straflos, wenn der Ehemann auch seine Frau tötete
( Lex Visig. III 4, 4; Lex Burg. 68) und bei den Ribuarianern nur
dann, wenn der Ehebrecher sich nicht gefangen nehmen ließ
(Lex Rib. 77) .
[209] . Wurde er durch ein Gericht überführt,
so büßte er nach dem langobardischen Recht mit dem Leben
(Roth. 213) und bei den Westgoten wurde er verknechtet (Lex Visig.
III 4, 1. 3. 12). Die meisten anderen Rechten legten ihm eine Geldstrafe
auf. Entweder hatte er sein eigenes Wergeld (bei Saliern und Ribuariern
(Lex Sal. 15. 95; Lex Rib. 35, 1)) oder das der Frau (bei Bayern
(Lex Baiw. VIII 1)) oder eine feste Ehebruchsbuße zu bezahlen.
Diese bestand bei den Alamannen in 80 Solidi und erhöhte sich
auf 400, wenn er die Frau nicht mehr zurückgeben konnte oder
wollte (Lex Alam. 50; 56, 2). Im angelsächsischen Recht richtete
sich die Buße nach dem sozialen Stand des Ehemannes (Alfred
10).
[210] . Roth. 200. 202. 212; Lex Visig. III 4,
4; Lex Baiw. VIII 1; Wilda [Germanen] 821. Dies galt auch dann,
wenn der Ehemann seine Frau dazu angestiftet hatte (Liu. 130). Bei
den Angelsachsen verlor die Ehefrau dagegen "nur" ihr
Vermögen, Nase und Ohren (Cnut II 53; vgl. Schmid 563). Bei
den Burgundern wurde sie, wenn sie ihren Mann verließ, im
Schlamm erstickt (Lex Burg. 34, 1).
[211] . Roth. 212; Lex Baiw. VIII 1.
[212] . Der Begriff "Blutschande" entstand
erst später bei Luther; Nehlsen 8.
[213] . v. Kolderup-Rosenvinge [Rechtshistorie]
I 147; Wilda [Germanen] 855.
[214] . v. Amira [Vollstreckungsverfahren] 28
f.
[215] . Childebert setzte auf die Ehe mit der
Schwiegermutter den Tod (Childeb. II decretio c. 2), wogegen leichtere
Fälle dem Bischof überlassen wurden (Chlotharii II ed.
v. 614, c. 10). Konfiskation des Vermögens kannten als Strafe
des Inzest die Alamannen (Lex Alam. 39), Bayern (Lex Baiw. VII 2.
3), Kapitalarien (Capitulare 803-813, c. 3, I 143) und Ribuarianer,
wobei letztere außerdem das Exil androhten (Lex Rib. 69, 2).
Hatte der Betreffende kein Vermögen, so wurde er nach alamannischem
und bayrischem Recht dem Fiskus verknech- tet und nach den Kapitularien
eingekerkert. Gab er sein Verhältnis nicht auf, wurde über
ihn der Matbann verhängt (Cap. Pipp. v. 754/55, c.1, I 31 (Kap.
Pippin)). Exil und Verlust des Vermögens zugunsten der Verwandten
war bei den Westgoten die Strafe für Inzest (Lex Visig. III
5, 2), während bei den Burgundern die Frau an den Fiskus verknechtet
wurde und der Mann das Wergeld an ihre Verwandten und 12 Solidi
Buße an den Fiskus zahlen mußte (Lex Burg. 36). Auch
bei den Angelsachsen mußte eine Buße gezahlt werden,
deren Höhe der Grad der Verwandtschaft bestimmte, bis zum Verlust
des gesamten Vermögens bei Heirat der Schwester (Cnut II 51).
[216] . Als Notzuchtbußen nennen die Salfranken
62½ (Lex Sal. 25, 1; so hoch wie die Buße für
Frauenraub), die Alamannen 40 (Lex Alam. 56), und die Salier 60
Schillinge, wobei sich die Summe halbierte, wenn sie keine Jungrau
mehr war (Alfred 11, 2).
[217] . Bei den Saliern wurde sie mit dem Wergeld
des freien Franken gebüßt (Lex Sal. 13, 14) und bei den
Westgoten standen darauf hundert Hiebe und anschließende Verknechtung
(Lex Visig. III 4, 14).
[218] . Lex Sal. 13, 7; 92, 3; Lex Rib. 58, 18;
Lex Baiw. VIII 9; Lex Visig. III 4, 14.
[219] . Nehlsen 6.
[220] . Roth. 205-207; Lex Burg. 30; Lex Alam.
75; Alfred 25.
[221] . lat. raptus.
[222] . Bei den Saliern betrug sie 62½
(Lex Sal. 13, 4), bei Alamannen (Lex Alam. 53, 1) und Bayern (Lex
Baiw. VIII 6, 7: der Raub einer Witwe wurde hier doppelt gebüßt)
50 Solidi und das neunfache Brautgeld bei den Burgundern (Lex Burg.
12, 1).
[223] . Brunner-v. Schwerin II 861.
[224] . Bei den Langobarden wurde die Hochbuße
von 900 Solidi fällig (Roth. 187). Die Westgoten lieferten
den Täter und sein Vermögen der Geraubten oder ihren Verwandten
aus (Lex Visig. III 3, 1). Bei Ribuariern (Lex Rib. 24, 1. 2), Anglowarnen
(Lex Thur. 44) und Angelsachsen (Cnut II 52) hatte er sein Wergeld
zu zahlen.
[225] . Lex Sal. 71. In einer Satzung Childeberts
(Childeb. II decretio c. 4, Cap. I 16) wurde der Frauenräuber
und die mit ihm einverstandene Frau von Amts wegen verfolgt und
getötet; vgl. Nehlsen 8.
[226] . Ed. Chloth. II c. 18, Cap. II 23.
[227] . Lex Visig. III 3, 1: Verlust des halben
Vermögens; Lex Burg. 12, 2: sechsfache Brautgeld.
[228] . Im ersteren Fall hatte der Täter
300 Solidi an die Verwandten und 240 Solidi an die Geraubte zu zahlen.
Ließ sie sich freiwillig rauben, so mußte er zweimal
300 Solidi an die Verwandten zahlen, als Buße und als Brautgeld,
während die Frau ihm verblieb; Lex Sax. 40; vgl. v. Richthofen
285.
[229] . Bei den Alamannen bestand die Buße
in 200 Solidi bzw. 400 Solidi, wenn die Braut nicht zurück
gegeben wurde (Lex Alam. 51); jedoch nur 80 Solidi, wenn eine Ehefrau
geraubt wurde (Lex Alam. 50). Bei den Bayern war die doppelte Buße
des Frauenraubes zu zahlen (Lex Baiw. VIII 16). Die Frauenraubbuße
und zusätzlich 15 Solidi an den Bräutigam verlangte das
jüngere salische Recht (Lex Sal. 13, 10, Cod. 5.6.10); auch
im langobardischen (Roth. 191) und sächsischen (Lex Sax. 49)
Recht bekam der Bräutigam eine Entschädigung, daneben
aber auch noch der Vormund der Braut. Während bei den Chamaven
(Lex Chamav. 47) und in einem Kapitular Ludwigs I. (Cap. legg. add.
818/19, c. 9, I 282) die Wergeldbuße genannt wurde.
[230] . Lex Burg. 12, 4.
[231] . Roth. 188. 190. 214.
[Teil
1] [Teil
3]
|
|
Inhalt:
Einleitung
Konfliktregelung,
Geltung und Begriff der Volksrechte
Die wichtigsten Quellen des
geschriebenen Rechts
Das Strafsystem
Die einzelnen
Straftatbestände und ihre Sanktionen -> [Teil
2] [Teil
3]
Literatur
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